Idyll und Verbrechen – Besuch der Dokumentationsstätte Obersalzberg

Die Dokumentationsstätte Obersalzberg setzt sich mit der Geschichte des Ortes und der NS-Diktatur auseinander. Uns wurde eine Führung durch die gesamte Ausstellung ermöglicht, beginnend mit der Geschichte und dem Erwerb der im Umkreis stehenden Landhäuser bis hin zu den dokumentierten Kriegsplanungen und deren Opfern. Abschließend besichtigten wir auch die frei begehbare Bunkeranlage.

Bei unserer Ankunft wurden wir mit einem atemberaubenden Blick auf die Berge begrüßt. Herzlich empfangen wurde unsere Klasse ebenfalls von dem Guide, der uns durch die Ausstellung „Idyll und Verbrechen“ begleitete. Anhand von rund 350 Objekten, Dokumenten, Fotografien und multimedialen Elementen erklärt die Ausstellung den historischen Ort und erzählt vom Schicksal der Opfer. Wir bekamen einen deutlichen Einblick in die Geschichte des Obersalzbergs, sowohl von der Täterperspektive – schließlich handelt es sich beim Obersalzberg um einen Täterort - als auch von der Opferseite.

Die Führung thematisierte viele spannende Inhalte, die man sich in Ruhe anschauen und durchlesen konnte. Unter anderem wurde uns ein Blick auf die Sammelobjekte gewährt. So hatten Kinder in den 1930er Jahren die Möglichkeit, ein Album für Zigarettensammelbilder zu erwerben. Die Zigarettenbilder mit Motiven der NSDAP wurden auf Schulhöfen und im Alltag verglichen und getauscht. Das ausschließlich für Propagandazwecke entworfene Sammeln der Bilder diente dazu, auch unter den Jüngsten das Interesse für die NSDAP zu wecken. Die Propaganda wirkte jedoch nicht nur durch Sammelobjekte. In der gesamten Ausstellung wurden ebenfalls diverse Zeitungsartikel präsentiert und Fotos von glücklich scheinenden Personen gezeigt, die demselben Zweck dienten. Auf ihnen war beispielsweise Adolf Hitler Hand in Hand mit einem blonden Mädchen (Rosa Bernile Nienau) oder in einem Gespräch mit Kindern zu sehen. Auch normal wirkende Familienporträts von Joseph Goebbels und seine Familie wurden ausgestellt. Ein weiteres Thema der Ausstellung war die „Hitler-Schule“, auch bekannt als „Hitler-Jugend“. Oft wurden diese Kinder an NAPOLA-Schulen (Nationalpolitische Lehranstalt) unterrichtet. Diese Erziehungsanstalten waren nationalsozialistische Eliteschulen. In ihnen wurden ab 1933 Schüler aus allen Gesellschaftsschichten auf eine Karriere als Offizier vorbereitet, um im Krieg die sogenannten richtigen Entscheidungen zu treffen, die vielen das Leben kosteten.

In einem eigenen Bereich der Ausstellung wurden die Schicksale der Opfer dokumentiert. Ein berührendes Schicksal war unter anderem jenes der 14-jährigen Tanja Sawitschewa, welche ein kurzes, aber dafür umso entsetzlicheres Tagebuch führte. Dieses Tagebuch wurde zu einem der Symbole für die Blockade der Deutschen in Leningrad. Es besteht aus einem Notiz- und Telefonbuch. Tanja machte mit einem einfachen Bleistift Eintragungen zum Tod ihrer nächsten Verwandten: Name, Datum und Zeit. Das Tagebuch endet mit den Worten: “Die Sawitschews sind gestorben. Alle sind gestorben. Nur Tanja ist geblieben.” Tanja Sawitschewa kam in ein Kinderheim, welches später evakuiert wurde. Leider erlag sie ihren vielzähligen Krankheiten und verstarb am 1. Juli 1944.

Zum Schluss unserer Führung durften wir gemeinsam durch die Bunkeranlage gehen. Uns erwartete ein riesiges Bunkersystem, das viele Verzweigungen hat und sogar über Maschinengewehranlagen verfügt, um sich bei einem möglichen Einnehmen des Bunkers zu verteidigen. An den Wänden waren die Signaturen ehemaliger Besucher, aber auch alliierter Soldaten, die den Bunker kurz vor Kriegsende eingenommen hatten, zu sehen.

Dieser Tag war ein gelungener Ausflug in die Geschichte, der sowohl die Sicht der Täter als auch der Opferseite eindrücklich vermittelte. Es gab sehr viel Neues zu lernen, das uns in Erinnerung bleiben wird. Einmal mehr wurde uns bewusst, dass ein derartiges Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten darf. Niemand sonst erinnert sich an das Schicksal der vielen Opfer des NS-Regimes, wenn wir es nicht tun.

Text: Anna Morun, 4CHBTH

Fotos: Schüler:innen der 4CHBTH